Aus dem Buch "Lebendige Sprachinseln"

ZAHRE / SAURIS -

Deutschsprachige Gemeinschaft in der Provinz Udine

Zahre: Blick auf die Unterzahre; im Hintergrund der Kirchturm von S. Osvaldo

Zahre: Blick auf die Unterzahre; im Hintergrund der Kirchturm von S. Osvaldo

 

Im Jahr 1871 beschrieb Angelo Arboit das Gebiet von Zahre/Sauris folgendermaßen: »Es gibt keine bergigere Stätte als diese im Karn und auch keine, die weiter von menschlichen Gemeinschaften entfernt wäre. Ob man nun von Sappada, Mione, Ampezzo oder Forni ausgeht, zwischen denen Zahre liegt, benötigt man nicht weniger als vier Stunden, um es zu erreichen«1. Diese Worte fassen zusammen, wie die Gegend in der zweiten Hälfte des 19. Jh. einem von auswärts kommenden Besucher erscheinen musste. Das Sauris Tal liegt im westlichen Teil der Karnischen Alpen in einer Senke, die sich in Längsrichtung entlang dem Oberlauf des Wildbachs Lumiei erstreckt2. Im Osten grenzt es an die Region Venetien – die Provinz Belluno, genauer an die Gemeinde Vigo di Cadore, die über den Razzo Sattel (1724 m) erreichbar ist. Im Süden trennt es ein Bergkamm – zwischen dem Monte Tinisa (2100 m) und dem Monte Bivera (Veisperkhouvl, 2474 m) – vom oberen Tagliamento Tal und von den Gemeinden Forni di Sopra, Forni di Sotto und Ampezzo. Mit dieser letzten Ortschaft ist das Sauris Tal durch den Pass des Monte Pura (Perkh) und die Schlucht des Lumiei (Lunte) verbunden. Im Westen wird es vom Canale di Gorto abgegrenzt, während sich, als Grenze zur Gemeinde Ovaro und dem Val Pesarina, in Richtung N NW ein weiterer Bergkamm vom Monte Col Gentile (2075 m) bis zum Pezzocucco (1914 m) zieht.
Das Tal liegt über 1000 m hoch; die Wasserscheide, die es umgibt, verläuft im Verhältnis zu den durchschnittlichen Erhebungen Friauls auf großer Höhe und fällt nie unter die 1428m des Pura Passes ab.
Die zahlreichen Wasserläufe (neben den Wildbächen Lumiei, Poch, Plotten, Novarza mit ihren Zuflüssen) durchdringen bloß zum Teil den Boden der Senke, der vorwiegend aus dolomitischem und bituminösem Kalkstein besteht und oft von Moränengeröll und Schuttschichten bedeckt ist. Wenn wir einige Zonen ausschließen, die – besonders in Richtung Razzo Pass und Cadore – Erosionserscheinungen unterliegen, weist die Landschaft sanfte Züge auf, wobei sich weite Baum und Weidezonen abwechseln; dies gilt vor allem für die Sonnenseite, wo sowohl ständige als auch vorübergehende menschliche Siedlungen entstanden sind und wo sich der Großteil der Almen ausbreitet. Auf dieser Hangseite dominieren die Weiden, während der Waldgürtel an manchen Stellen unter 1500 m liegt, während auf der Südseite die obere Baumgrenze über 1700 m erreicht. Eines der Elemente, die heute die Landschaft von Zahre/Sauris kennzeichnen, ist der See. Dieser Stausee entstand durch den Damm, der zwischen 1941 und 1948 im ersten Abschnitt der Lumiei Schlucht gebaut wurde. Mit einer Fläche von über 1,6 km2 bedeckt er den gesamten Talboden.
Das Gebiet der Senke wird nur zum Teil von der Gemeinde Zahre/Sauris verwaltet, während der Rest auf sieben angrenzende Gemeinden aufgeteilt ist. Die ansässige Bevölkerung erreicht knapp über 400 Einwohner. Zahre besteht aus drei Hauptorten. Dörf/Sauris di Sotto, wo die Gemeinde ihren Sitz hat, liegt auf 1214 m Höhe am westlichen Rand eines ausgedehnten Schwemmlandes, das einst als Ackerland diente, vor einer bescheidenen Erhebung, und wird von der Kirche S. Osvaldo überragt. Weiter im Westen erstreckt sich auf einer Reihe von Terrassen am Südhang des Monte Morgenleit Plozn/Sauris di Sopra, das mit seinen 1400 m die höchstgelegene ständige Siedlung der Region Friaul Julisch Venetien ist. Auf 1236 m breitet sich in der Talsenke, die der Rio Plottenpoch bildet, der östlichste Ort der Senke, Lateis (Latais), aus. Er entstand als vorübergehende Siedlung von Sennhütten, die sich später in ständige Unterkünfte verwandelten. Der Charakter der Streusiedlung zeugt noch von der ursprünglichen Bestimmung. Zu diesen drei Weilern, in denen etwa 95% der Bevölkerung wohnen, kommen die beiden Ortschaften Velt (1270 m) und La Maina (Ame Lataise, 1020 m) hinzu. Dieser letztgenannte Ort, der sich anfänglich am Talboden befand, wurde nach dem Bau des Staudammes in erhöhter Lage wieder errichtet.

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1 A. Arboit, Memorie della Carnia, Bologna, Forni, 1871, S. 224
2 Für eine zusammenfassende Beschreibung der geomorphologischen und klimatischen Aspekte des Gebietes von Zahre/Sauris s. S. Zilli, Il paesaggio della conca di Sauris, in D. Cozzi - D. Isabella - E. Navarra (Hg.), Sauris/Zahre. Una comunità delle Alpi Carniche, Udine, Forum Editrice Universitaria Udinese, 1998, S. 19-27, auf den hier weitgehend Bezug genommen wird.