"MIAR SEIN GÖTTSCHEABARA" - Beitrag aus 2008
von Luis Thomas Prader
So eine Bezeichnung hört man nicht nur in der Gottschee im Süden Sloweniens an der Grenze zu Kroatien, sondern genau so in Kärnten, in Wien, in Tirol und in Bayern oder in anderen deutschsprachigen Gebieten Europas; aber ebenso in den Vereinigten Staaten, in Kanada, in Australien oder sonstwo in der weiten Welt.
Schon allein das Wort „Gottschee“ klingt für viele von uns unbekannt, fremdartig, geheimnisvoll. Und doch liegen die kulturellen und sprachlichen Wurzeln dieser Sprachinsel in Slowenien, im heutigen Osttirol und in Kärnten. Somit dürfte es für uns Südtiroler besonders interessant sein, über diese „unbekannte“ Gottschee einiges zu erfahren, über ihre Geschichte, ihre Kultur und ihr Brauchtum, über ihren Leidensweg, der in manchen Stücken dem Südtiroler Leidensweg im vorigen Jahrhundert ähnelt.
Von Tirol und Kärnten nach Südslowenien
„Am Anfang war der Wald.“ So beginnt Erich Petschauer sein „Jahrhundertbuch der Gottscheer“ (Braumüller 1980). Anfang des 14. Jahrhundert war es, als die „Ortenburger“, ein Kärntner Adelsgeschlecht, begannen, die waldreiche und unwirtliche Gegend am Rande des Hornwaldes, 60 km südlich vom heutigen Ljubljana/Laibach, urbar zu machen und zu besiedeln. Und etwa 50 Jahre später wurden auch Osttiroler in das Besiedlungsvorhaben mit einbezogen. Die ganze Besiedlungsaktion wurde wohl sehr genau geplant und gründlich vorbereitet, denn es ist anzunehmen, dass die zukünftigen Siedler vom gesamten Unternehmen auch wirtschaftliche Vorteile erwarteten. Die Gegend liegt zwar mitten im wasserarmen Karst, aber die Siedler verstanden es bestens, sich an Wasserstellen niederzulassen. Es gibt zwar allerhand Theorien über die Erstbesiedlung des Gebietes, die sprachwissenschaftliche Forschung von Eberhard Kranzmayer († 1975) ist aber letztendlich zum Schluss gekommen, dass die Vorfahren der Gottscheer aus dem tirolerischkärntnerischen Grenzgebiet stammen. Dass diese Theorie nicht von der Hand zu weisen ist, kann man der Tatsache entnehmen, dass wir Südtiroler als Dialektsprecher die Gottscheer schon verstehen können. Dasselbe zeigt sich auch im mündlichen Umgang mit den deutschen Sprachinseln in Nordostitalien.
Im Grunde weiß man aber recht wenig Genaues über die Besiedlung des Gebietes, selbst zum Wort „Gottschee“ gibt es nur Vermutungen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es sich bei der Besiedlung der Gegend rund um den Hornwald um eine Besiedlung aus wirtschaftlichen Gründen handelte und nicht um eine volkstumspolitische. Somit sind auch entsprechende Schriftstücke kaum vorhanden. Wie viele Siedler ursprünglich in die Gottschee gekommen sind, lässt sich schwer sagen; Fachkreise gehen davon aus, dass im Jahre 1363 zwischen zwei- bis dreitausend Personen dort lebten. Aus demselben Jahr findet sich auch die erste urkundliche Nennung als „Gotsche“. Immerhin war von da an die Gottschee besiedelt, und es beginnen mehr als sechs Jahrhunderte bewegter und schicksalhafter Geschichte. Auch für Tirol bringt das Jahr 1363 einen Einschnitt in der eigenen Geschichtsschreibung, ist es von da an doch Teil des Habsburgerreiches.
1363–1918 ein stetes Auf und Ab
Die fünfeinhalb Jahrhunderte dieses Zeitabschnittes bedeuten für die Gottscheer ein ständiges Auf und Ab. Da war dem größten Urwald Europas – dem Hornwald – Boden abzutrotzen; der Karstboden ist wasserarm und nur mit einer dünnen Humusschicht bedeckt, und es ist sicherlich nicht leicht, sich hier „die Erde untertan“ zu machen, um überleben zu können.
Auch die Türken fielen über das kleine Land ein, plünderten und brandschatzten und verschleppten Menschen. Gut zwanzig solcher Türkeneinfälle brachten schweres Leid über das Land. Aber auch Kaiser und Grundherren verlangten Geld und Dienstleistungen, und so kam es 1515 zu einem Gottscheer Bauernaufstand gegen Unterdrückung und Willkür. Andererseits erhielten die Gottscheer bereits 1492 das Hausierpatent zuerkannt; dieses erschloss den Gottscheern eine neue Einnahmequelle, und die Berechtigung zum Wanderhandel wurde immer wieder erneuert. Die Fersentaler hingegen, unsere unmittelbaren Nachbarn, erhielten eine ähnliche Ermächtigung erst unter Kaiserin Maria Theresia, also Jahrhunderte später.
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts wurden entlang des Hornwaldes 25 neue „Dörfer“ errichtet, die Gottschee war im Aufblühen. Sogar deutsche Kapläne wurden eingestellt, denn in der Gottschee sprach man eine „lingua teuthonica“. Etwa zur selben Zeit veranlasste der Bischof von Padua, dass den Bewohnern der „Sieben Gemeinden“ der Katechismus in der „lingua Thedesca“ vermittelt werde. Ein gewisses Verständnis von Seiten der Kirche für anderssprachige Gemeinschaften war also durchaus gegeben.
Aber 1809 fallen auch die Franzosen in das Landl ein, die Gottscheer wehren sich tapfer, jedoch die feindliche Übermacht ist zu stark. Die so genannten Gottscheer „Aufrührer“ werden standrechtlich erschossen. 1809 also ein Schicksalsjahr für Gottscheer genau so wie für Tiroler. Die Zeit von 1860 bis 1880 schließlich bedeutete den Höhepunkt der Entwicklung des Gottscheer Ländchens: Die Bevölkerungszahl der Gottscheabara beträgt 26.000. Zahlreiche Gemeinden, Pfarreien, Schulen, Genossenschaften, Vereine und Organisationen bildeten den geschlossenen Siedlungsraum der Gottschee auf 850 km². 60 deutsche Lehrer unterrichteten, 25 deutsche Feuerwehren gab es in der Gottschee, auch deutsche Presse gab es, in die Gottschee führte sogar eine Eisenbahnlinie. Angeblich dachte man auch laut darüber nach, eine „Deutsche Republik Gottschee“ zu gründen, ist die Gegend doch doppelt so groß wie der europäische Zwergstaat Andorra. Zugleich aber setzt eine neue Entwicklung ein: Der Boden war vergeben, dem Wald ließ sich nichts mehr abringen, die Heimat konnte bei allem Fleiß nur ein kümmerliches Dasein gewähren. Also wagte man sich über den „Großen Teich“ und versuchte dort sein Glück; die Abwanderung begann. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war bereits ein Fünftel der Bevölkerung abgewandert, zu Beginn des Ersten Weltkrieges lag bereits ein Drittel der Äcker in der Gottschee brach. Zum Schluss kommt noch der Erste Weltkrieg und der damit zusammenhängende Zerfall der Habsburgermonarchie, zu der die Gottschee von jeher gehört hatte.
Gottscheer Trachten
Der Volkstumskampf
Nun hatte sich der Staat der Serben, Kroaten und Slowenen konstituiert. Dieser Staat hatte sich zwar Minderheitenschutzbestimmungen auferlegt, in welchen er sich verpflichtete, „allen seinen Einwohnern ohne Unterschied der Geburt, Sprache, Rasse und Religion den Schutz von Leben und Freiheit zu gewähren“. Eine Einklagung von Seiten der Minderheiten war aber nicht möglich. So wurden bereits nach einem Monat die deutschstämmigen Staatsbeamten zum großen Teil entlassen, deutsche Schulen wurden in slowenische umgewandelt, die Lehrer entlassen oder pensioniert, die deutschen Ortsnamen wurden verboten, die einzige Sprache war Slowenisch, „germanisierte“ Namen wurden ins Slawische zurückgeführt, die Einwanderung von Beamten, Lehrern und anderen Personen der öffentlichen Verwaltung wurde vorangetrieben. Wie sehr das doch alles unserer Südtiroler Geschichte gleicht!
Die Umsiedlung
Es kam aber alles noch viel schlimmer: Der Zweite Weltkrieg brach aus, die Truppen des Deutschen Reiches begannen 1941 den Balkanfeldzug, und Jugoslawien kapitulierte, das Gebiet der Provinz Laibach, zu der die Gottschee gehörte, fiel an das Königreich Italien, denn im Mittelmeerraum hatte Hitler den Wünschen der italienischen Regierung entsprochen. Von Interesse dürfte in diesem Zusammenhang sein, dass die Gottscheer den vollen Text des deutsch-italienischen Umsiedlungsvertrages erst nach Kriegsende erfahren haben. Die Gottscheer sollten in ein Gebiet ausgesiedelt werden, wo zuerst die Slowenen vertrieben worden waren. Wie dem auch sei, die Gottscheer wurden zu einer Art Option mehr oder weniger deutlich gezwungen und schließlich optierten über 90 Prozent für die Umsiedlung. Aber die Enttäuschung war wohl groß, denn im Umsiedlungsgebiet – dem so genannten Ranner Dreieck im heutigen östlichen Slowenien (in der damaligen Südsteiermark) – fanden sie alles eher als die „alte“ Heimat. Die umgesiedelten Gottscheer wurden nun auch von den slowenischen Partisanen bedrängt, und nach Kriegsende wurden sie dann aus dem Ranner Dreieck verjagt oder in Lager getrieben und hingerichtet. Besonders traurigen Ruhm besaß das Lager Sterntal: Wer da noch lebend herauskam, war schlicht und einfach glücklich zu preisen. So fanden die restlichen Gottscheer in österreichischen Auffanglagern erste Unterkunft, die meisten sind dann wohl in die Staaten ausgewandert. Das in der Gottschee mühsam erarbeitete Eigentum wurde beschlagnahmt und – so meine Informationen – bis heute nicht zurückerstattet.
Das (fast) endgültige Ende
Das Modell der sozialistischen Kolchosenlandwirtschaft unter Marschall Tito hat in den Nachkriegsjahren auch nicht zum Wiederaufbau der Gottscheer Gemeinschaft beigetragen. Zudem wurde in der Gegend von Göttenitz und Rieg ein Sperrgebiet eingerichtet. In dieses hatte nur die Polizei Zugang. Die letzten Dörfer wurden endgültig entsiedelt, unbewohnte Häuser und ganze Dörfer, die schon von italienischen Soldaten 1942 in einer großen Offensive angezündet worden waren, und nicht benutzte Kirchen wurden restlos zerstört, die Steine als Baumaterial und das Holz als Brennmaterial verwendet. Die ehemals halbwegs fruchtbringenden Wiesen wurden nicht mehr bearbeitet, heute findet man von manchen Dörfern nur mehr vereinzelte Obstbäume mitten im Wald und Reste eines alten Friedhofes, die Gegend ist zugewachsen. Geheimnisvolle Dorfnamen aber gibt es immer noch in der Gottschee. Es sind teilweise sehr aussagekräftige Namen, erzählen sie uns doch von einem Leben und einer Kultur aus der Zeit der Urbarmachnung. So finden wir Namen wie Suchen, Verdreng, Verderb, Stalldorf, Katzendorf, Fliegendorf, Mösel, aber auch Bezeichnungen wie Oberland, Unterland, Hinterland, Hochtal und zahlreiche andere, wie es sie auch bei uns geben kann und gibt. Aber von vielen dieser Dörfer besteht nur mehr der Name, und bei den noch bestehenden findet man fast nur mehr slowenische Ortsbezeichnungen, deutsche gibt es offiziell nirgends.
Gottschee verbindet man heute aber auch mit dem „Hornwald“; der Hornwald ist ein großer Urwald, ein Paradies für Jäger, aber auch Wohnort für Luchs, Bär und Wildschwein. Nicht umsonst sind dort immer wieder diesbezügliche Gefahrenhinweisschilder angebracht. Tief drinnen im Hornwald finden wir eine Gedenkstätte. Hierher hatten die Partisanen ihre Feinde getrieben, aber auch solche, die von ihnen als Feinde gehalten wurden. Der finstere Wald war ausgesucht worden, um die Feinde zu töten und in die Karstgründe hinunterzuwerfen, aus denen niemals wieder auch nur ihre Knochen geholt werden könnten. Ein wahrhaft zutiefst bedrückender Ort! Sonst findet man Wald, Wald und noch einmal Wald. Wald haben die Ortenburger vor 600 Jahren vorgefunden, Wald ist heute der Großteil der einstigen Gottschee. So schließt der Gottscheer Erich Petschauer sein Jahrhundertbuch mit folgenden Worten: „Am Anfang war der Wald, am Ende ist wieder der Wald.“
Die Gottschee heute
– Die Altsiedler in Slowenien: Ein paar Heimattreue haben sich nicht zur Option bewegen lassen, sind in ihrer alten Heimat geblieben und haben sich irgendwie herübergerettet in die heutige Zeit. In den „Gottscheer Altsiedler Verein“ haben sie sich zusammengeschlossen, etwa 300 Leute sind es. Die Gründung dieses Vereins fand erst 1992 statt, also erst nach der so genannten Wende in Europa. Zu den Aufgaben des Vereins zählen unter anderem die Erhaltung und Pflege des materiellen und nichtmateriellen Kulturerbes der Gottscheer Deutschen, die Pflege der Mundart, Deutschunterricht, Informationen über die Geschichte der Gottscheer. Der Verein hat allerdings keine ständigen Mitarbeiter. Wenig bekannt sind sie, die Gottscheer Altsiedler, zum Teil auch in Südtirol.
Wenn die Gottschee allenthalben in Vergessenheit geraten ist, so ist das auch dem Umstand zuzuschreiben, dass man erst nach dem Fall des „Eisernen Vorhanges“ wieder ungestört dorthin kommen kann. Andererseits lesen wir doch hie und da davon, dass ein August Gril beim Südtiroler Landeshauptmann stets offene Ohren für seine Anliegen findet, dass der Südtiroler Imkerbund und der Gottscheer Imker August Gril enge freundschaftliche Kontakte pflegen, dass sich gelegentlich manche Südtiroler zu den „Gottscheabarern“ auf Besuch wagen und dann gerne davon berichten.
Die Muttergottes wird von den Gottscheern von
jeher sehr verehrt. In der Gottscheer Gedächtnisstätte
in Klagenfurt kommt der Statue der
Schutzmantelmadonna besondere Bedeutung
zu: Die linke Hand hält sie wie ein schützendes
Dach über die armen Flüchtlinge, die die Heimat
(Kirche von Gottschee im Hintergrund) verlassen,
die rechte Hand ermuntert dazu, den Mut
nicht zu verlieren sowie der Heimat (Gottscheer
Wappen) und dem Glauben treu zu bleiben.
Wir lesen aber auch davon, dass durch großzügige Spenden aus Südtirol die Erneuerung des Glockenturmdaches in Tappelwerch ermöglicht wurde, dass in Zusammenarbeit mit der Laimburg und anderen Institutionen für die Erhaltung alter Obstsorten gearbeitet wird, dass aus Südtiroler Mitteln den Gottscheern ein Schlepper samt Anhänger geschenkt worden ist.
Und nicht zu vergessen: Wie oft haben wir neben Liedertiteln gelesen „Aus der Gottschee“, ohne eigentlich zu wissen, was das Wort „Gottschee“ heißen sollte. Die Lieder haben durchwegs einfachen und bescheidenen Charakter, sie erzählen von der Liebe, von den täglichen Freuden und Leiden, viele Lieder haben religiösen Inhalt. An die tausend verschiedenen Lieder soll es geben, zumindest sind so viele festgehalten. Da nimmt es auch nicht wunder, dass ein Alfred Quellmalz, der ja auch in Südtirol tätig war, sich mit dem Gottscheer Liedgut befasst hatte. Es ist schwierig, über die paar deutschsprachigen Menschen und ihre Tätigkeit in Pöllandl und Krapflern, so heißt der Ort, wo der Altsiedlerverein beheimatet ist, zu berichten. Es ist ein Kulturhaus da, mit unterstützt von Österreich und Deutschland, aber auch das Land Südtirol hat für die Errichtung mitgeholfen. Im Kulturhaus ist ein bescheidenes Museum eingerichtet, eine Bibliothek mit deutschen Büchern, aber lange nicht mehr alle können diese Bücher lesen; man bemüht sich um die Pflege von Kultur, Tracht und Brauchtum und die Gottscheabara Sprache, aber es sind nicht mehr viele Menschen, die sie so gut beherrschen, um sie weitergeben zu können, die Amtssprache ist Slowenisch, die Schule ist seit 1919 auch Slowenisch, es werden halt ein paar Deutschstunden gegeben, die Kirchensprache ist ebenso Slowenisch. Und der Karst wirft nicht allzu viel ab, man versucht halt von dem Wenigen sein Auskommen zu finden.
Politisch werden den Altsiedlern immer wieder Prügel vor die Füße geworfen, leider auch von solchen Menschen, von denen man es am wenigsten erwarten würde. Von gewissen Kreisen werden sie in die rechte Ecke gedrängt, obwohl sie nichts anderes tun, als das zu erhalten, was die Vorfahren hinterlassen haben, sowohl das Kulturerbe als auch die Sprache. In letzter Zeit scheint sich die Angelegenheit doch etwas zu beruhigen: Erst kürzlich hat ein slowenischer Wissenschafter gemeint, dass die deutsche Volksgruppe den Staat Slowenien nicht gefährde. Spontane Frage: Ist das auch bei uns so ähnlich? Aber die Altsiedler stehen zu ihrer Heimat, in ihr ist man tief verwurzelt, Pöllandl, Krapflern, Altsag, Kleinriegel, das ist das „Gottscheer Lantle“.
– Gottscheer in aller Welt: Manche sagen, es sei leichter, einen Gottscheer in New York als in der alten Heimat anzutreffen. Diese Aussage ist zwar nicht voll zutreffend, aber sie drückt aus, dass es Gottscheer in der ganzen Welt gibt. Viele von ihnen leben in Kärnten, in anderen österreichischen Bundesländern, sonst irgendwo im deutschen Sprachraum; sie haben sich zu so genannten Landmannschaften zusammengeschlossen. Jedes Jahr in der ersten Augustwoche findet in Klagenfurt die Gottscheer Kulturwoche statt. Sehr viele kommen da zusammen, aus Europa, aus den Vereinigten Staaten, aus Australien, aus anderen entfernten Ländern. Wie es sich für die als sehr religiös geltenden Gottscheer gehört, endet die Kulturwoche mit einem feierlichen Gottesdienst und einer Prozession mit der Schutzmantelmadonna. Reichen Aufschluss über das Leben der Gottscheer in aller Welt gibt die monatlich in Klagenfurt erscheinende „Gottscheer Zeitung“! Sie trägt den Untertitel „Mit der Heimat im Herzen über Land und Meer verbunden“. Die Zeitung enthält sehr viele Berichte aus dem Gottscheer Alltag und aus dem Vereinsleben, Beiträge zur Geschichte und Kultur der Volksgruppe, eine Rubrik über die Gemeinschaften in Übersee, ein Teil ist den Jubilaren gewidmet, Todesanzeigen sind genau so enthalten wie Werbeschaltungen. So berichtet die Zeitung zum Beispiel über ein Gottscheer Treffen irgendwo im deutschsprachigen Raum, über das Vereinsleben in Toronto, Ohio, Cleveland und New York, es kommen Menschen zu Wort, die als Zeitzeugen von Umsiedlung, Verfolgung und Flucht erzählen, es werden Persönlichkeiten vorgestellt, die sich um die Gemeinschaft besonders verdient gemacht haben. Bei den vielen Glückwünschen zu Hochzeit und Geburtstag werden immer auch kurz Herkunftsort und gegenwärtiger Wohnort angegeben. So heißt es etwa „Wir gratulieren in Arizona Frau … aus Verdreng, jetzt Sun City West“, bei Ankündigungen zum Vereinsleben heißt es, dass der Deutsch-Gottscheer Gesangverein in New York im Gottscheer Klubhaus sein „General Meeting & Dinner“ haben wird. Bei den Werbeschaltungen bietet eine Gottscheerin in Wimbledon „Bed & Breakfast“ an, oder ein Gastwirt wirbt in Bad Aussee (Steiermark) für seinen Betrieb. Aber auch die alte Sprache findet in Texten und Gedichten Platz in der Gottscheer Zeitung. Wie stark die Gottscheer „über Land und Meer“ verbunden sind, kann folgender Auszug aus einem Brief aus Brasilien ausdrücken: „... die Zeitung ist für mich wie ein Stück der alten Heimat, die man nie vergisst. Ich kann schon gar nicht mehr gottscheerisch sprechen, denn seit 1941 habe ich es nicht mehr gemacht … ich verstehe es aber gut und kann auch noch die alten Lieder singen.“ Sehr aktiv scheint das Vereinsleben in Übersee zu sein. Mit dem Zweck, die Bindung zur alten Heimat aufrechtzuerhalten, wurde der Gottscheer Heimatkunde- und Ahnenforschungsverein gegründet (Gottscheer Heritage and Genealogy Association GHGA). Alle drei Jahre wird eine Reise von Übersee in die alte Heimat Gottschee organisiert.
Kulturelles Leben allenthalben
Es ist erstaunlich, wie die Gottscheabara ihre Kultur überall pflegen: in der Heimat, in Europa, in fremden Ländern. Es ist immer noch die Sprache, die die Gottscheer zusammenbindet. Welche emotionale Bedeutung die Sprache hat, kann man dem Leitspruch „Göttscheabarisch redn-tsü Gött dan Hearn sprachn“ (Gottscheerisch reden ist wie zum Herrgott sprechen). Die Sprache wird nicht nur in verschiedenen lokalen Medien neben anderen Sprachen verwendet, sondern eigentlich immer dann, wenn mehrere Gottscheer beisammen sind.
Inzwischen sind über zweitausend Begriffe in einem dreisprachigen (Deutsch- Gottscheerisch-Englisch) Wörterbuch zusammengetragen, das Wörterbuch wird weiter ausgebaut. Weil die Sprache ja in Osttirol und Kärnten ihre Wurzeln hat, ist es für Südtiroler gar nicht so schwierig, Göttscheabarisch zu verstehen (auch die Gottscheer gebrauchen für „nein“ das Wort „ette“). Mit der Sprache eng verbunden ist das Liedgut. Es ist fast selbstverständlich, in den Staaten Gottscheer Lieder singen zu hören, selbstredend werden solche im Rahmen von Kulturveranstaltungen bei den verschiedenen Landmannschaften vorgetragen, Gottscheer Lieder werden in Pöllandl gesungen, Lieder sind auf Tonträgern aufgenommen. Ganz eigenartig erscheint wohl die Tracht: Fachleute sagen, die Tracht sei ein Relikt mittelalterlicher Mode. Auffällig ist sie alleweil die Gottscheer Tracht, vorwiegend weiß sowohl für Männer als auch für Frauen; die Männer tragen eine lange weiße Leinenhose, breitkrempige schwarze Filzhüte und eine weiße knielange Joppe. Einfach und bescheiden ist auch die aus Leinen hergestellte Frauentracht, Schmuckstück ist wohl das weiße Kopftuch, meistens kunstvoll gestickt. Der Gottscheer Tracht begegnet man nicht nur in der alten Heimat, sondern auch bei festlichen Anlässen bei den Gottscheer Landsmannschaften, aber auch in den Staaten. Bei der Steuben-Parade in New York erregen die Gottscheer in ihren mittelalterlichen Trachten Staunen und Bewunderung. Dass die Gemeinschaft eigene Kulturstätten errichtet hat, versteht sich von selbst. Das kann das kleine Kulturzentrum in Pöllandl sein, Schloss Krastowitz in Klagenfurt, aber auch die Kulturstätten in Cleveland, New York, Kitchener und Toronto. Schließlich ist noch so manches Brauchtum lebendig, zu Fasching, im Jahreslauf, zu Ostern und Weihnachten
Allerdings ist es nicht leicht, Brauchtum wirklich lebendig zu halten, wenn die Gemeinschaft, eben wie in Pöllandl, nur mehr einige hundert Mitglieder zählt. Aber ein ähnliches Problem haben bekanntlich auch die deutschen Sprachinseln in Italien.
Gottscheer Clubhouse in Cleveland
Wer mehr wissen möchte
Aus Südtiroler Sicht war „Gottschee“ ein unbekannter Begriff, sicherlich auch deshalb, weil die Gegend durch den Eisernen Vorhang vom westlichen Europa nahezu hermetisch abgeschlossen war. Heute kann man hinfahren in das südliche Krain und kann Pöllandl und die Menschen dort besuchen, da erfährt man aus erster Hand, wie es den wenigen Menschen in der Gottscheer Sprachinsel wirklich geht. Über die Gottscheer gibt es relativ viel Literatur, allerdings ist sie hauptsächlich in Deutschland und Österreich verbreitet. Reichlich Information bekommt man aber auch über das Internet. Es genügt, die österreichische Seite www.gottschee.at und die Seite des Altsiedlervereins www.gottscheer.net zu öffnen. Dann bekommt man eine Menge Informationen sowie zahlreiche Verbindungshinweise (Links) zu anderen Gottscheer Seiten, einschließlich Übersee. Uns Südtirolern stünde es sicherlich gut an, den Gottscheern, aber auch den anderen deutschen Sprachinseln gegenüber, seien sie in Italien oder sonstwo in Europa, kulturpolitische Offenheit und Solidarität zu zeigen.